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E) Darstellungen anderer Autoren

 

1.) In einer Darstellung von Herrn Dr. Burkhard Steinrücken, Universität Dortmund und Planetarium Recklinghausen, mit dem Titel „Über gerade und gekrümmte Linien am Himmel ...“ wird zwar über die Selbstverständlichkeit gehandelt, dass es beim Licht keine durch Projektion verursachten gekrümmten Linien geben kann. Die räumlichen Wirkungen der Perspektive werden jedoch nicht bedacht. Stattdessen wird der unzutreffende Schluss gezogen, für die „falsche" Mondneigung könne es keine geometrische Erklärung geben, sondern es müsse es sich um eine "psychophysische" Täuschung nach Art des Aubert-Phänomens handeln, an der sogar die Bogengänge im Gehör beteiligt sein sollen. Das trifft, wie ich gezeigt habe, nicht zu. Die Erklärung ist falsch.

 

2.) Auch im GEO-Magazin, Heft 11/2006 wird das Aubert-Phänomen als Ursache vermutet. Die Veröffentlichung beruht auf der unter 1.) genannten Arbeit. Eine geometrische Erklärung findet sich auch in diesem Artikel nicht. Er ist ebenfalls falsch.

 

3.) In einer Darstellung, Titel „Warum zeigt die Neigung der Mondsichel nicht genau zur Sonne ?“, wird ausgeführt, dass (verkürzt zitiert) "die reale Mondneigung durch Projektion auf das Firmament zur Kurve wird und als Kurve wahrgenommen wird". In Wahrheit kann von einer "Kurve" nicht die Rede sein kann, auch nicht als Folge einer Projektion. Die Darstellung ist falsch.

 

4.) Eine von Herrn Prof. Dr. Bernhard Schölkopf, Max-Planck-Institut Tübingen, verfasste und 1998 in der Zeitschrift Perception, 27(10) 1229 – 1232, veröffentlichte Arbeit mit dem Titel "The moon tilt illusion"  kommt zu einem interessanten, aber nicht weniger unrichtigen Ergebnis. In dieser Arbeit wird gesagt, paradoxerweise werde der (unsichtbare) Weg des Lichts von der Sonne zum Mond für den Betrachter in Relation zum Horizont gebogen, und folglich sehe es aus, als ob der Mond von oben beleuchtet werde. Die geometrische Erklärung lasse jedoch Probleme der Wahrnehmung ungelöst. Man könne nur entweder die Verbindung Mond/Sonne oder aber den Horizont als eine Gerade sehen, eine der beiden Linien sei immer gekrümmt. Zwar zeige die Mondsichel nicht in eine andere Richtung als die, die sie haben soll. Man sehe die abweichende Neigung aber deswegen, weil man die Geradheit von Linien relativ zum Horizont beurteile. Dies deute darauf hin, dass die Geometrie der wahrgenommenen Himmelskugel nicht mit der einer Halbkugel übereinstimme, bei der Gerade als Großkreise definiert seien. Stattdessen enstehe der Eindruck einer komplexen und möglicherweise weltweit widersprüchlichen Struktur, in der Geradheit nur lokal definiert sei. (Zitat aus dem Originaltext: "This indicates that the geometry of perceived sky is not that of a hemisphere, with straight lines defined as great circles. Instead, it suggests a more complex and possibly globally inconsistent structure where straithtness is defined only locally, as for instance with  respect to the horizon.")

 

Das ist nicht zutreffend. Eine "Geometrie der wahrgenommenen Himmelskugel", in der Geradheit nur lokal definiert ist, gibt es nicht. Wir leben mit unseren Augen im dreidimensionalen euklidischen Raum. Die Himmelskugel wird nicht wahrgenommen. Sie ist keine Leinwand und keine reale Projektionsfläche. Es gibt sie schlicht nicht. Und gerade Linien werden weder am Himmel noch auf der Erde "gebogen", wie man zwanglos bei längeren Häuserfronten erkennt, wenn man zuerst die Sockellinie und dann die Dachrinne betrachtet. Die Vorstellung gekrümmter Linien ist auch in dieser Arbeit falsch.

 

5.) In einer Internetdiskussion aus dem Jahr 2005/2006 war zur Frage "Why does the moon's terminator not appear orthogonal to the direction of the sun?" das Phänomen zwar in zwei Beiträgen (#22 und #23e - leider sind die Beiträge nicht mehr auffindbar) richtig als "Trick der Perspektive" bezeichnet und ein "Schnurexperiment" ähnlich dem von mir beschriebenen "Besenstielexperiment" vorgeschlagen worden. Allerdings wurde auch hier von einer gekrümmten Linie gesprochen. Und es wurde ähnlich wie in der oben unter 4.) genannten Arbeit gesagt, man könne nicht zwei lange, parallele Linien sehen, ohne eine von beiden gekrümmt wahrzunehmen. Auch diese Aussage war angesichts des einfachen Sachverhalts der Fluchtpunktperspektive falsch.

 

6.) In der Süddeutschen Zeitung war - wenn ich das richtig in Erinnerung habe irgendwann in 2006 oder 2007 - in der Rubrik „Die Frage der Woche“ eine Leserfrage nach dem Phänomen der abweichenden Mondneigung dahin beantwortet worden, es handle sich um eine optische Täuschung, die damit zusammenhänge, dass man den Kopf wenden müsse, wenn man erst die Sonne und dann den Mond betrachte. Diese Antwort war ggf. richtig, aber nur, soweit auf die Wendung des Kopfes verwiesen wurde. Dass es sich um eine geometrisch erklärbare und berechenbare Erscheinung und um die Wirkung der Perspektive handelt, ist in der kurzen Antwort nicht zum Ausdruck gekommen. Und es handelt sich nicht um eine optische Täuschung, weil man nichts anderes sieht, als tatsächlich vorhanden ist. Sondern es handelt sich um einen gedanklichen Irrtum, einen Fehlschluss, eine unzutreffende Interpretation des Gesehenen - ein Fehler, der beim Mond allerdings vielen Beobachtern unterläuft.

 

7.) Im März 2010 ist eine Arbeit von Prof. Dr. Glaeser, Wien, und mir mit dem Titel Geometric Considerations About Seemingly Wrong Tilt of Crescent Moon erschienen (KoG Nr. 13, S. 19 - 26), in der u. a. auch die "falsche" Mondneigung erklärt und berechnet wird, u. z. wie schon zuvor in dieser meiner Darstellung. Dass es keine geometrische Erklärung des Phänomens geben soll, und dass "krumme Linien" wahrzunehmen seien, wird widerlegt.

 

8.) Eine weitere, in 2013 veröffentlichte Arbeit, Titel "Wenn Licht scheinbar krumme Wege läuft"Verfasser Bernold Feuerstein (Reihe: WIS wissenschaft in die schulen!), unterliegt einem ähnlichen Irrtum wie die meisten oben zitierten Arbeiten. Zwar wird betont, dass das Licht nur gerade Wege nimmt. Aber es wird die unzutreffende Behauptung aufgestellt, das menschliche Auge nehme ein größeres Gesichtsfeld  "fischaugenähnlich" wahr, also wie ein extremes Weitwinkelobjektiv; deswegen würden Linien "mehr oder weniger krumm" gesehen. Das ist objektiv falsch, wie jeder sehen kann, der das erwähnte "Besenstielexperiment" ausführt oder die wechselnde Neigung von Dachrinnen, Zimmerkanten oder z. B. der Flugzeugkondensstreifen studiert. Auge und Gehirn nehmen geradentreu wahr. "Krumme Linien" sind, siehe oben, ein gedanklicher Fehlschluss, ein Interpretationsirrtum und eine arge Verlockung für die, die die Sache nicht verstanden haben.

 

9.) Im Jahr 2014 haben Frau Andrea K. Myers-Beaghton und  Herr Prof. em. Alan L. Myers (University Pennsylvania) ein paper mit dem Titel "The Moon Tilt Illusion" veröffentlicht. Darin wird zwar gezeigt, dass das Rätsel geometrisch zu lösen ist. Dass die  Mondneigungstäuschung in astronomischen Veröffentlichungen nicht erwähnt wird, dürfte entgegen der Vermutung der Verfasser aber nicht daran liegen, dass Astronomen wüssten, dass gerade Linien an der Himmelskugel zu Großkreisen würden. Erstens gibt es, wie Astronomen wissen, die Himmelskugel nicht und damit dort auch keine Großkreise. Zweitens vermute ich, dass Astronomen sich trivialeren Problemen wie der Neigung der Mondsichel mit Blick auf ihre Reputation lieber nicht widmen möchten.

 

 

 

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